Migrationssensibilität in der Schule
Dem deutschen Bildungswesen wurde mehrfach attestiert, sozial ungleiche Startchancen nur unzureichend auszugleichen. Soziale Herkunft, Migrationshintergrund und Geschlecht stellen dabei die zentralen Merkmale dar, die die Bildungschancen von Lernenden auf teilweise beträchtliche Weise beeinflussen. War vor einigen Jahrzehnten noch die Arbeitertochter der bildungspolitische „Problemfall“, so werden heute Jungen, insbesondere Migrantensöhne, strukturell benachteiligt (vgl. Geißler 2008). In diesem Zusammenhang werden der schulischen Alltagspraxis u.a. auch starre Normalitätsvorstellungen und stereotypen Erwartungshaltungen attestiert (vgl. Gomolla & Radtke 2002; Dravenau & Groh-Samberg 2008).
In diesem Forschungsprojekt werden solche Normalitätsannahmen und Erwartungshaltungen exemplarisch anhand von Einzelfallanalysen in der Grundschule dargestellt und analysiert. Dabei handelt es sich um „misslungene“ Gespräche zwischen Lehrkräften bzw. Schulsozialarbeiter/inne/n und türkeistämmigen Kindern - vornehmlich Jungen. Diese Schwerpunktsetzung dient zur exemplarischen und zugleich markanten Skizzierung zentraler Problemstellungen: Zum einen spielt die Phase der Selektion zu Beginn der Grundschule noch keine große Rolle, zum anderen zeigen Interaktionssituationen Problemstellungen auf, die sich auch - aber nicht nicht nur - unmittelbar auf den Unterricht auswirken und bereits sehr früh wirksam werden. Schließlich repräsentiert der Junge aus einer türkeistämmigen Arbeiterfamilie, der in einem stark segregierten Stadtteil aufwächst, eine im deutschen Bildungssystem besonders benachteiligte Gruppe (vgl. Strohmeier & Alic 2006). Entscheidend erscheint dabei auch, in welch subtilen Zusammenhängen Normalitätserwartungen latent wirksam sind.
In diesem noch laufenden Forschungsprojekt kommen sowohl Videoanalysen als auch Interviews mit Lehrkräften und Eltern zum Einsatz, um bei der Interpretation der Interaktionssituationen die verschiedenen Perspektiven integrativ berücksichtigen zu können. Vor diesem Hintergrund wird abschließend von Einzelfällen abstrahiert, um aus der Analyse misslungener Kommunikation bzw. migrations- und ungleichheitsbedingter Missverständnisse erfolgversprechende Anknüpfungspunkte für eine migrations- und ungleichheitssensible pädagogische Praxis herauszuarbeiten.
Publikation
El-Mafaalani, Aladin (im Erscheinen): Migrations- und Ungleichheitssensibilität in der Schule.
Veröffentlichungen aus einem Älteren Projekt:
El-Mafaalani, Aladin (2011): Bildung hilft Migranten, Ignoranz nicht. In: Zeit Online, 30.09.2011. [online abrufbar]
El-Mafaalani, Aladin; Toprak, Ahmet (2010): Interkulturelle Jungenpädagogik. Grundlagen und Methoden für die Schulsozialarbeit. Expertise. Dortmund.
El-Mafaalani, Aladin; Toprak, Ahmet (2010): Hausfrau oder Kauffrau? Beratungssituationen mit jungen Frauen türkischer Herkunft. In: Sozialmagazin 2/2010. [abstract]
Toprak, Ahmet; El-Mafaalani, Aladin (2010): Gender- und kultursensible Beratung. In: Wirtschaft und Berufserziehung 3/2010.
El-Mafaalani, Aladin (2009): Diversität in der beruflichen Benachteiligtenförderung. Herausforderungen für Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung. In: Migration und Soziale Arbeit 3+4/2009.