Familie und Erziehung

Jeder Mensch hat eine Familie – diese Feststellung ist trivial und gleichzeitig macht sie deutlich, warum Familie Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung sein muss. Familie betrifft jeden und gilt als die Sozialisationsinstanz.

 

Weitläufig gefasst bezeichnet Familie die normale Form des geregelten Zusammenlebens der Generationen und Geschlechter. Die Familie ist auf der ganzen Welt verbreitet, staatlich legalisiert, gesellschaftlich geschützt und steht als lebensgeschichtlich bedeutendste soziale Primärgruppe an der Nahtstelle zwischen Individuum und Gesellschaft. In einer pluralistisch geprägten, individualisierten Gesellschaft erscheint der Antritt eine „normale“ Familienstruktur definieren zu wollen fehlgeleitet und nicht zielführend. Vielmehr ist es typisch für Familie, dass sie in unterschiedlichen Konstellationen und Strukturen erscheint: Grob skizziert reicht die Bandbreite von Vater, Mutter, Kind über Patchworkfamilien bis hin zu alleinerziehenden Elternteilen. Zudem kann man die Familie nach der Anzahl der Kinder oder aber auch nach dem rechtlichen Status (un-) ehelicher Kindern unterscheiden.

 

Gemessen am strukturellen Reichtum familiärer Konstellationen mutet die Funktion von Familie eingrenzbarer an. Per Definition erfährt der Heranwachsende in der Familie Pflege und Fürsorge, Betreuung und Erziehung. Dem Heranwachsenden wird durch die Familie affektive Zuwendung und sensorische Anregung zuteil. Im familiären Kontext wird sozialisiert und eine Gesellschaftsfähigkeit hergestellt, wobei immer ein sozialschichtspezifischer Ausschnitt der gesellschaftlichen Wirklichkeit auf die Heranwachsenden wirkt. So wird die innerfamiliäre Sozialisation und Erziehung von Kindern und Jugendlichen beispielsweise durch Berufstätigkeit und Bildungsniveau der Eltern beeinflusst. Außerdem stellen Faktoren wie das Familieneinkommen, die Geschwisterzahl, die Zukunftsperspektive und die Konsumgewohnheiten der Familie sozialisierende Momente dar.

 

Da in Familien neben Liebe auch Gewalt, neben Trost auch Hass, neben Freundschaft auch Feindschaft herrschen kann, verläuft Sozialisation und Erziehung nicht problemfrei. Sowohl in Fachkreisen als auch in der Öffentlichkeit sind Familie und Erziehung immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen. Neben in regelmäßigen Abständen erscheinenden Erziehungsratgebern, die sich in der Regel diametral widersprechen, lösen familienpolitische Instrumente wie das Elterngeld oder die umstrittene „Herdprämie“ zumeist hitzige Debatten über deren Auswirkungen auf Erziehung und die kindliche Entwicklung aus. Dabei stehen die Fragen nach Erziehungsstilen und –zielen oft im Mittelpunkt der Auseinadersetzung. Erziehungsfragen beschäftigen nicht nur Eltern sondern ganze Berufsgruppen wie zum Beispiel Lehrer und Erzieher. Da die primäre Sozialisation unter anderem innerhalb familiärer Strukturen vollzogen wird, haben wir als Institut für Sozialisationsforschung forscherisches Interesse an dem „Sozialisationsraum“ Familie.